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Das MagazinKolumnen

Unser täglich Brösel gib uns heute

Hartes Brot ist nicht hart, kein Brot ist hart. Das stimmt. Aber keine Brösel an Brokkoli ist auch hart.

Das Zeugs ist nicht gesund, wie so vieles, aber leider gut.
© Jonas Marguet

Manchmal bin ein bisschen hilflos (und damit meine ich nicht nur die Momente meines Lebens, in denen ich mit einem Schraubenzieher in der Hand etwas zum Besseren verändern soll). Ich bin hilflos, wenn in meiner Küche ein Stück Brot auftaucht, das eindeutig nicht in Bestform ist und eigentlich, wenn ich meinem intrinsischen Impuls folgen würde, im Abfall landen würde.

Nun hat die abendländische – oder sollte ich sagen: die christliche – Kultur in mir so tiefe Spuren hinterlassen, dass die Bedeutung von Brot sich nicht allein in der einer geeigneten Unterlage für Hartkäse oder Himbeerkonfitüre erschöpft. Brot, sogar die harte, übriggebliebene Kante, die ich gerade in der Hand halte, ist ein Symbol dafür, dass wir haben, was wir brauchen; dass wir auf wundersame Weise ernährt werden, wofür unsere Vorfahren verschiedenen Göttinnen dankbar waren, die Griechen der Demeter, die Römer der Ceres. Dass auch dieser kümmerliche Rest Brot auf irgendeine Weise einen höheren Wert repräsentiert (um nicht gleich den Leib Christi ins Spiel zu bringen). 

Natürlich gehöre ich nicht mehr zu einer Generation, die das Brot alt werden lässt, um es erst dann zu verzehren, wie das noch meine Großmutter predigte: Frisches Brot, sagte sie, sei nicht gut für den Magen. Natürlich ist das Quatsch. Wahr ist vielmehr, dass frisches Brot besser schmeckt, weshalb mehr davon gegessen wird. Deshalb zogen es sparsame Geister wie meine Großmutter vor, altes Brot auf den Tisch zu stellen.

Natürlich gehöre ich längst zur Frisches-Brot-Fraktion, weshalb es die Brotkante von letzter Woche oft einmal schwer hat. Aber wegwerfen mag ich sie doch nicht, und das hat gute Gründe, einmal abgesehen von der kosmischen Schuld, die ich sonst auf mich laden würde. Denn kaum etwas lässt sich besser verwerten, als hartes, durchgetrocknetes Brot, jedenfalls wenn man seinen Aggregatzustand verändert. Ich stecke deshalb mein hartes Brot vorzugsweise in einen Papiersack und lasse es zwei, drei Tage steinhart und völlig trocken werden, um es dann mit der Küchenmaschine in feine Brösel zu verwandeln. Die bewahre ich zur weiteren Verwendung in Gläsern auf. 

Diese Brösel, ursprünglich Abfallprodukte, haben das Zeug, eine ganze Reihe von Gerichten auf wundervolle Weise zu veredeln. In der italienischen Küche gelten Brösel zum Beispiel als formaggio dei poveri, „Käse der Armen“. Es gibt unzählige Rezepte damit. Ein Teller Spaghetti mit frisch geriebenem Knoblauch und in Olivenöl gerösteten Bröseln – in Italien wird dafür natürlich traditionell Weißbrot verwendet – ist eine sizilianische Delikatesse, die mit etwas Schärfe von Chiliflocken noch veredelt werden kann. 

Aus Kalabrien stammen die Peperoni ammollicati, eine köstliche Vorspeise. Dafür werden rote Paprikaschoten in Stücke geschnitten, vom Kerngehäuse und den weißen Stegen befreit (wer es bekömmlicher mag, sollte auch die äußere Haut mit dem Sparschäler entfernen). Dann braten wir sie in Olivenöl an und lassen sie zugedeckt eine Viertelstunde lang auf kleiner Flamme schmoren. Anschließend werden die Peperoni mit 1 EL gehackten Kapern, 10 g Bröseln, ½ TL Oregano und reichlich geriebenem Pecorino vermengt und dürfen weitere zehn Minuten ziehen. Lauwarm schmeckt diese feine, pikante Vorspeise am besten.

Auch Kohlgemüse wie Brokkoli oder Blumenkohl harmonieren hervorragend mit Bröseln. Zu Brokkoli, der ja dazu tendiert, ein bisschen fad zu sein, bereite ich gern Butterbrösel zu, im Verhältnis drei zu eins, drei Teile Butter, ein Teil Brösel. Eine Zehe Knoblauch, durch die Presse gedrückt, gibt den Butterbröseln einen weiteren Geschmacksboost, und wer sich nach etwas zusätzlicher Frische sehnt, kann auch noch die Schale einer halben Zitrone dazureiben. Plötzlich ist der kurz in sprudelndem Wasser gekochte Brokkoli keine graue Maus mehr, sondern eine schmackhafte Mahlzeit. Auch Blumenkohl lässt sich auf diese Weise veredeln – mein Freund Sepp Schellhorn drückt zum Garnieren zusätzlich noch ein hartes Ei durch die Kartoffelpresse, was den Blumenkohl köstlich beschneit und veredelt.

Besonders gut aber vertragen sich meine Brösel mit Sardellen. Natürlich ist wieder eine Zehe Knoblauch im Spiel, die ich für zwei Portionen Spaghetti gemeinsam mit 4 Sardellenfilets und reichlich Petersilie klein hacke. Dann gebe ich gut 3 EL Brösel in 2 EL Olivenöl und röste sie darin an. Anschließend rühre ich die Sardellen-Knoblauch-Petersilienmischung auf kleiner Hitze sorgfältig in die Brösel ein. 

Die Spaghetti in der Mischung wenden. Das Tischgebet sprechen: Unsere täglichen Brösel gib uns heute.

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