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A la CarteKolumnen

Abstecher in die großartigste Normalität

© Illustration von Markus Roost

Besuch in Lech, oder sagen wir lieber: an den Außenstationen von Österreichs glamourösestem Skiort.

Es sind etwas verschlungene Wege, auf denen eine grandiose Köchin aus Singapur und ein  nicht minder spannender Koch aus Südtirol ins allerletzte Haus von Zug, einen Ortsteil von Lech am Arlberg, kamen, um dort das Restaurant „Jakob und Ethel“ zu eröffnen. 

Die Kurzfassung: die beiden lernten sich kennen, als sie bei Magnus Nilsson im „Fäviken“ arbeiteten, jenem inzwischen geschlossenen, mythisch überhöhten Gasthaus in Mittelschweden, das weltreisende Foodies anzog wie der Nordpol die Kompassnadel. Sie blieben drei Jahre im Jämtland. Ethel Hoon wurde Souschefin von Magnus, Jakob Zeller half ihm in den Bereichen Strategie und Entwicklung. Die beiden saugten das Wissen einer der kompromisslosesten Küchen der Welt auf, bis ihnen die Winter zu lang und zu dunkel wurden. 

Zuerst gingen sie nach Berlin, heuerten in einer Bäckerei an, bespielten ein paar außergewöhnliche Plätze mit spannenden Konzepten, unter anderem mit Ethels asiatischer Comfort-Food-Küche namens Hoon’s. Dann folgten sie der Einladung des Hotelierpaars Katia und Gerold Schneider aus Lech, die sie als Gäste im Fäviken kennengelernt hatten, und sahen sich ein uraltes Gasthaus am letzten Ende von Zug an. 

Das alte Walserhaus namens „Klösterle“, das zum Almhof Schneider gehört, stammt aus dem 16. Jahrhundert. Von den Bänken vor dem Lokal aus sieht man nur noch die Berge – im Sommer natürlich auch das Grauvieh, das die Weiden bis zum Wald bearbeitet. Seit vergangenem Winter haben nun Jakob und Ethel das Haus übernommen – und bespielen ab Dezember ihren zweiten Winter in Lech.

Sie tun das mit einer kulinarischen Innigkeit, die ich selten irgendwo erlebt habe. Ihre Gerichte sind auf den ersten Blick einfach, aber sie tragen des Genom erstaunlicher Erfahrungen in sich. Wenn sie zum Beispiel rohe Karotten oder Fenchelstücke mit einem Hummus aus Petersilienwurzen kombinieren, dann ist diese leuchtend gelbe Creme das Ergebnis durchaus komplexer Fermentations- und Verarbeitungsprozesse: Sie schmeckt jedenfalls so überzeugend, dass ich den Teller, als keine Karotten mehr da waren, mit dem Finger sauber machte, die Tiefe des Geschmacks und die leichte Schärfe genießend.

Gratinierte Schwarzwurzeln mit Buchweizenmiso von der Klösterle-Karte.

Eigentlich hatten Jakob und Ethel geplant, im Klösterle ein fixes Menü zu servieren, ganz nach dem Vorbild von Fäviken. Aber sie kamen von dem Gedanken ab. Stattdessen bieten sie zwölf bis vierzehn Alacarte-Gerichte an, die man mit ein bisschen Hunger und guter Laune durchaus alle miteinander verzehren kann. Vielleicht nicht allein, jedenfalls aber zu zweit, wenn der Partner nicht gerade eine F.X.Mayr-Kur absolviert.

So kam ich in den Genuss köstlicher Charcuterie vom Mangalitzaschwein mit einem sauer eingelegten Kürbis, probierte Südtiroler Krapfen, die mit den Blättern von der Roten Rübe gefüllt waren, verzehrte eine geeiste, erdig-süße Creme von Roter Rübe und Himbeere und begriff, dass man ein Taboulé nicht unbedingt mit Couscous, sondern auch mit winzig klein geschnittenen Stücken vom Blumenkohl anfertigen kann, dazu mischte die Küche perfekt gegarte Pfifferlinge und schmeckte alles mit Bergminze ab: einfach und grandios, wie auch das yummiemäßig herausragende Gratin von Mangold und Buchweizenmiso.

Ethel Hoon und Jakob Zeller bespielen das Klösterle mit einer kulinarischen Innigkeit, die ich selten irgendwo erlebt habe.
„Wir möchten im Klösterle Herkunft mit Zukunft verbinden, denn Herkunft braucht Zukunft.“

„Dieses Gericht ist ein gutes Beispiel für unsere Küchenphilosophie“, sagt Jakob Zeller. „Wir möchten im Klösterle Herkunft mit Zukunft verbinden, denn Herkunft braucht Zukunft. Das Gratin ist rustikal und herzhaft, wie man es aus der alpinen Küche kennt, aber auch zeitgemäß und deshalb vegetarisch, leicht und frisch.“ 

Das Spannungsfeld zwischen alpinen Lebensmitteln und weltläufigen Zubereitungsmethoden offenbarte sich auch bei den unglaublich feinen texturierten, in Tempurateig gebackenen Saiblingsstücken mit Lupinen-Ponzu oder der schwarzen, durchaus kräftigen Currypaste, die es zum rosa gebratenen Kalb gab. Ich gebe zu, dass ich schon an Dessert-Cancelling dachte, aber das wäre keine gute Idee gewesen: die Pavlova mit der Feigenblattcreme und frischen Früchten trieb mir buchstäblich die Tränen der Freude in die Augen – und der Espresso im Klösterle ist besser als vielerorts in Italien.

Ich verbrachte ziemlich viel Zeit in Zug, meistens eine Viertelstunde vom Kösterle entfernt, weil mich nämlich Joschi Walch eingeladen hatte. Joschi Walch ist der Inhaber der Roten Wand, einer Gasthaus- und Hotelanlage, die direkt neben dem Kirchlein von Zug steht, einem idyllischen Ort, im Sommer wie im Winter. Walch hat die Rote Wand von seinen Eltern übernommen, die das Wirtshaus vor ziemlich genau 60 Jahren aufgesperrt haben, und er hat das Haus ausgebaut und in ein Kompetenzzentrum für Kulinarik verwandelt. 

Ein Kompetenzzentrum für Kulinarik braucht ein Zentralorgan, soll heißen: ein Kochbuch. Mit dieser Aufgabe betraute Joschi Walch den Kollegen Pertramer, uns Alacarte-Lesern aus der regelmäßigen Zusammenarbeit mit Thomas Maurer (Seite XX) vertraut, und mich. Wenn ich jetzt von der äußerst differenzierten Küche der Roten Wand schwärme, dann kann ich mit Fug und Recht sagen: Ich habe alles gegessen, und wenn ich alles sage, dann heißt das: alles. Das Buch ist übrigens gerade erschienen, es heißt schnörkellos „Rote Wand. Das Kochbuch“, und das müssen Sie wissen, damit Sie nicht glauben, ich mache heimlich Schleichwerbung. Ich mache ganz offen Schleichwerbung.

Den kulinarischen Status der Roten Wand begründeten schon Joschi Walchs Eltern Burgi und Sepp. Sepp war ein umtriebiger Skilehrer, dem es einfiel, die Abgelegenheit von Zug – der abgeschiedene Ortsteil liegt etwa drei Kilometer vom Zentrum von Lech entfernt, verbunden durch eine schmale Straße, die durch einen malerischen Wald führt – zu einem Vorteil umzudeuten. Er rief die heute noch unvermeidlichen Schlittenfahrten nach Zug ins Leben, Hufgeklapper, Winterwonderland, Zauberwald, alles im Angebot, und weil die Gäste ja am Ziel ein Ziel brauchten, gab es in der Roten Wand Fondue, also beste kulinarische Unterhaltung, auf die sich groß und klein einigen konnten.

Dass Burgi, die für die Küche verantwortlich war, daneben auch für einen perfekten Schweinsbraten sorgte oder für ein Brathendl, das ihrem Sohn heute noch die Tränen in die Augen treibt, begründete den Ruf der Roten Wand. Damals verteilte man noch keine Kronen oder  Sterne, man sagte einfach: „Dort isst man gut“.

Man aß dem Vernehmen nach immer gut in der Roten Wand, aber weil „gut“ in einem Ort wie Lech nicht gut genug ist, schärfte Joschi Walch das Profil des Hauses weiter und zwar entscheidend. 

Ich muss ein paar Worte über Lech verlieren. Lech, wiewohl weltbekannt, ist ein kleiner Ort. Seine Gründung geht ins 13. oder 14. Jahrhundert zurück, als eingewanderte Walser einen Ort namens Tannberg gründeten. Durch Tannberg floss (und fließt) der Lech, der Ort wurde zur Präzisierung „Tannberg am Lech“ genannt, davon blieb irgendwann im 19. Jahrhundert allein „Lech“ übrig.

Hier leben knapp über 1600 Menschen. Der Wintertourismus hat es gut mit ihnen gemeint. Der Arlberg ist für sein Skigebiet so berühmt wie das Périgord für seine Trüffel, und weil das ein großes, internationales Publikum schätzt, konnte sich Lech mit zahlreichen Klassehäusern und Hotels der gehobensten Sorte darauf einrichten. Dabei blieb der Ort, anders als die meisten anderen Skistationen, ansehnlich, bewahrte sein Ortsbild, verwandelte sich nicht in eine Verkaufsfläche mit Schlafgelegenheiten, wie man das dies- und jenseits der Grenze gelegentlich sieht. Lech hat viel vom Zauber eines Alpendörfchens bewahrt, auch wenn hinter den Kulissen ein durchaus urbanistischer Ansatz herrscht und Beherbergung und Gastronomie auf höchstem Niveau möglich sind.

So lernte ich den Almhof Schneider kennen. Ohne Übertreibung: Diese Mischung aus Geschmack, Stilbewusstsein, Sinn für Funktionalität und Stimmung, aber auch Kunstsinnigkeit, Großzügigkeit und Klarheit habe ich in keinem anderen Hotel der Welt jemals gesehen. Von außen würde man den Almhof nicht für das „Ritz“ halten, aber kaum betritt man das Foyer, verströmt das Haus mit seiner Aufmerksamkeit für jedes Detail, das einmal, manchmal, vielleicht eine Rolle spielen könnte, eine fast unwahrscheinliche Aura – vielleicht auch weil alles, was andernorts zur Beeindruckung von Gästen unternommen wird, wie selbstverständlich fehlt. Luxus ist eben keine Zurschaustellung von Überfluss, sondern das intuitive Angebot von Nützlichkeit in dessen denkbar schönster Gestalt.

Der Mann, der mich in den Almhof mitgenommen hatte, ist ein Klassewinzer aus dem Burgenland. Er nahm mich schon vor einigen Jahren zur Verkostung der Hermitage-Weine von Jean-Louis Chave mit, die dieser zu Gerichten von Fergus Henderson präsentierte. Die älteste Flasche stammte aus den Siebzigerjahren, und die Weine waren so, dass sie dem Ambiente standhielten: furios. Würde Jean-Louis Chaves Hermitage nicht rund 500 Euro pro Flasche kosten, würde ich wahrscheinlich kaum andere Weine trinken, ausgenommen den einen oder anderen Barolo oder Blaufränkisch. Im eindrucksvollen Weinkeller des Almhof wäre das übrigens alles vorhanden.

Auch das Essen folgt im Almhof dem Prinzip, dass nichts getan wird, um die Gäste zu beeindrucken, aber alles, um sie zufriedenzustellen. Ich führte zum Thema der kulinarische Tiefe ein ausführliches Gespräch mit den Schneiders, die dazu eine fast japanische Position einnehmen: Es muss jeder Handgriff so lange wiederholt werden, bis er nicht mehr verbessert werden kann. Das gilt sowohl für die Fähigkeiten, die sie ihren Köchen abverlangen, als auch für die Zusammenstellung der Speisekarte: Eine ganze Reihe von Klassikern müssen diesen Anforderungen genügen, sie erfordern volle Aufmerksamkeit. Kann sein, dass manche Laufkundschaft diese höchste Präzision als zu kleine Herausforderung missversteht. An der Philosophie des Hauses bestehen jedoch keine Zweifel. Mit Klischees gibt man sich hier nicht ab. Es würde sich durchaus auszahlen, reich zu sein, um das in angemessener Länge genießen zu können – und natürlich die tägliche Flasche Hermitage dabei zu köpfen.

Es ist eine Seite von Lech, dass geschulte Geister ganz besondere Orte hervorbringen, die nicht notwendigerweise etwas mit Essen, Trinken, Skifahren oder Party zu tun haben – übrigens auch nicht mit Geld. So haben auf Einladung einiger Privater Weltklassekünstler Werke mitten in der Landschaft hinterlassen, und weil ich sowieso ein großer Bewunderer des Lichtkünstlers James Turrell bin, ließ ich im letzten Winter das Skifahren sein und marschierte von Zug über Lech hinauf nach Oberlech, um seinem „Skyspace“ einen Besuch abzustatten.

Die mit pinken Wegweisern kenntlich gemachten Winterwanderwege zählen zum Schönsten, was ich in den Alpen kenne. Ich kam weder Skiläufern noch Langläufern in die Quere, durchquerte das Ortszentrum, ohne von magnetischen Kräften in eines der Luxuskaufhäuser gesaugt zu werden, und wählte den kürzeren, dafür steileren Anstieg über den Ortsteil Burg. Folgte den schlichten Wegweisern, die mich vorbei an Millionärschalets, aber auch Ställen, die aussehen wie Millionärschalets, hinauf an die Peripherie des Skigebiets führte, bis ich, harmonisch in die Landschaft gesetzt, mein Ziel erkannte: den mit Natursteinen in den Hang gebauten Skyspace. 

Als ich ankam, war ich allein. Ich betrat durch einen schlauchartigen Gang das ovale Innere des Raums, setzte mich und betrachtete den elliptischen Ausschnitt in der Decke, durch den ich den Himmel sah – oder besser: den Ausschnitt des Himmels, der mir gerade wie ein Bild zur Verfügung stand, tiefblau, nur einzelne Federwolken steuerten leichte, weiße Schraffierungen bei. 

Ich empfand vom ersten Augenblick an – wie immer beim Betrachten von Installationen Turrells – tiefe Ruhe. Der Anblick des Himmels, die Sitzposition mit dem weit in den Nacken geneigten Kopf, entwickelten eine hypnotische Wirkung, die mich aus der Zeit katapultierten. Keine Ahnung, wie lange ich schon dagesessen war, als mich das Geklapper von Skischuhen auf Stein aus den Träumen riss.

„Was soll das hier?“, fragte ein junger Mann, dem offenbar etwas fehlte, vielleicht die Bar.
„Wahrscheinlich Kunst“, sagte seine Begleiterin. „Komm, gehen wir.“
Ich blieb. 

Auch das ist natürlich Lech, und es gibt auch die obligaten Austern- und Champagneroutlets, die mich allerdings noch nie interessiert haben. Und ja, natürlich könnte man sich jetzt auch den Kopf über die große Baugrube im Ortszentrum zerbrechen, die den Bürgermeister seinen Job gekostet hat und, sagen wir es vorsichtig, für Gesprächsstoff sorgt. I prefer not to, jedenfalls an dieser Stelle. Kaufte ganz in der Nähe der Baugrube bei Lenai + Linai, einem wunderbaren Modegeschäft mit Produktionen aus Lech, ein hübsche Jacke ein, der Winter wird kalt, und marschierte zurück nach Zug. 

Joschi Walch schärfte das Profil seines Hauses, indem ihm eine interessante Neudefinition von alpiner und gleichzeitig globalisierter Gastronomie verordnete. Im alten „Schualhus“ von 1780, wo einmal die Dorfschule von Zug untergebracht war, implementierte er ein Fine Dining Restaurant namens „Rote Wand Chef’s Table“, ein Ausnahmerestaurant. Ein eleganter Messingtisch umrahmt an drei Seiten die im Zentrum stehende Kochinsel, wo die Köche des „Schualhus“ abends ihr großes Menü zubereiten – in Coronazeiten gleich zweimal am Abend mit dafür respektablen Abständen zwischen den Plätzen – , und wer das als Zitat des legendären „Chef’s Table at Brooklyn Fare“ von César Ramirez betrachtet, hat natürlich recht.

Vor drei Jahren hat hier der junge Küchenchef Max Natmessnig den Job als Küchenchef angetreten, der mehrere Jahre Seite an Seite mit César Ramirez im „Chef’s Table at Brooklyn Fare“ gearbeitet hat (außerdem noch im Steiereck, bei Daniel Humm und Sergio Herman). Nach Jahren in einem Restaurant, das keinen Aufwand scheut, direkte Frachtflüge von Tokios Fischmarkt nach New York inklusive, übernahm er in Zug ein deutlich regionaler grundiertes Konzept. 

Das Regionale bezieht sich aber ausschließlich auf die Lebensmittel, die er verwendet. Die multikontinental beeinflussten Zubereitungsmethoden und -techniken hat er mitgebracht, inklusive einiger ziemlich ausgefallener Küchenutensilien. Zwar gehört Natmessnig nicht zu den alpinen Dogmatikern, aber er zeigt mit viel Fingerspitzengefühl vor, wie sich gerade verfügbare Lebensmittel aus dem alpinen Kulturkreis in hochspannende Gerichte verwandeln lassen, die durchaus internationaler Strahlkraft entwickeln.

Ob das nun kleine, brillante Tartelettes mit Erbsen oder Pilzen sind oder eine durch verschiedene Konsistenzen deklinierte Rote Rübe mit Räucherforelle, Natmessnig beherrscht das Spiel mit Konsistenzen, Säure und zuweilen auch einer angenehmen, zupackenden Schärfe meisterlich. Seine Waffel mit Hühnerleber und Sanddorn lässt klassische Gänselebersnacks vergessen, und wenn Natmessnig die Pilzconsommé mit einem Maisraviolo anrichtet, dann spiegelt sich darin die ganze Tiefe des Waldes und die Geschmeidigkeit avancierter Pastaküche.

Zwischendurch schiebt er kleine Gänge ein, die über das regionale Lebensmittelschema hinausgehen – wie zum Beispiel eine köstliche, warme Auster oder einen nur Sekunden lang gebratenen, süßen Carabinero. Das fügt sich auf selbstverständliche Weise in die Dramaturgie des Abends, die Gerichte harmonieren erstklassig miteinander, egal ob ihre Ingredienzien aus dem Inneren eines Zwanzig-Kilometer-Radius stammen oder nicht. 

Ich habe mir ein Gericht aus dem Baukasten Natmessnigs ausgesucht, das auf prototypische Weise sein Spiel mit Aromen und Texturen nachvollziehbar macht: Sein Confierter Saibling mit Buttermilch-Schnittlauch-Vinaigrette. Das Gericht ist klarerweise ein wenig komplex, aber durchaus zu bewältigen. Es hat drei Komponenten, die hintereinander hergestellt werden.

Das Gericht ist in seiner Geschmacksvielfalt und Geradlinigkeit ein gutes Beispiel dafür, was die Küche von Max Netmessnig anstrebt: Finesse, Klarheit und das gewisse Etwas.

Wenn er über den Saibling spricht, sagt Max gern, dass es ein Privileg für ihn ist, damit zu arbeiten. Der Fisch stammt aus dem Fischteich, der fünf Minuten vom Schualhus entfernt ist und täglich frisch geliefert wird. Dieses Privileg genießt übrigens auch sein Kollege Florian Armbruster, der für die Hotelküche der Roten Wand zuständig ist und dort – vom Scheinwerfer der großen Aufmerksamkeit nicht ganz so oft beleuchtet – einen großartigen Job macht. Armbrusters alpine Klassiker, aber auch die beherzten, geradlinigen Speisen, die morgens, mittags und abends aus der Rote Wand Küche kommen, sind oft schlicht großartig. 

Meine Lieblingsspeise: die Sig-Knödel. Dafür verarbeitet Armbruster die sogenannte „Wälder Schokolade“, ein süßsaures Molkekaramell, das ganz am Ende der Käseproduktion mit enormem Aufwand hergestellt wird. Es kommt, umhüllt von einem zarten Topfenteig so auf den Tisch, dass der Sig darin noch flüssig ist, und konkurriert mit der Pavlova aus dem Klösterle und der Zugerbombe – einer Veredelung der bekannten Schwedenbombe aus der Chef’s Table-Patisserie – um den Preis für das beste Dessert von Zug.

An manchem Montag, dem traditionellen Schließtag in der Gastronomie, an dem die meisten Köche und Servicemitarbeiter frei haben, funktionierten Jakob und Ethel das „Klösterle“ in eine Pizzeria um. Die Köche der Roten Wand wanderten dann in Scharen Richtung Klösterle. manche durften sogar das Golfcart benutzen, um auf der abends verwaisten Straße in Schlangenlinien ihr Ziel anzufahren. Es floß der Wein von der Klösterle-Weinkarte, die zwar nur eine A4-Seite umfasst, vorne weiß, hinten rot, aber so interessant bestückt ist, dass ich sicher zwanzigmal wiederkommen müsste, um einen Wein ein zweites Mal zu bestellen.

Ich mag es, wenn diese Normalität endlich normal wird.

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Buttermilch-Schnittlauch-Vinaigrette:
500 ml Buttermilch, 80 ml Weißweinessig, 1 Zitrone, 100 g Saiblingskaviar, 1 Bund Schnittlauch, 100 ml Rapsöl, Salz, Pfeffer. 
250 Milliliter Buttermilch in einem Topf erwärmen, bis sich die Molke trennt. Das Ganze abseihen und die Molke auf die Hälfte reduzieren. Die restlichen 250 Milliliter Buttermilch mit Weißweinessig, Salz, Pfeffer und Zitronenzeste abschmecken. Danach die reduzierte Molke dazugeben. Zum Schluss Saiblingskaviar und geschnittenen Schnittlauch dazugeben.

Schnittlauchöl:
1 Bund Schnittlauch, 100 ml Rapsöl.
Den Schnittlauch mit dem Rapsöl gut vermixen und durch ein Spitzsieb passieren. Danach in die Buttermilch-Vinaigrette geben.

Confierter Saibling:
600 g Saiblingsfilet, 20 g Salz, 1 l Rapsöl, 1 Bund Dill, 3 Knoblauchzehen.
Den Saibling waschen, trocken tupfen und die Gräten zupfen. Danach mit dem Salz einreiben und 20 Minuten ziehen lassen. Anschließend wieder abwaschen und trocken tupfen.

Das Öl in ein tiefes Blech geben, darin Knoblauch und Dill geben. Das Öl auf 65 Grad erhitzen.

Den Saibling in vier Portionen schneiden, dann den Fisch ins Öl legen. Je nach Dicke des Fisches ca. acht bis zwölf Minuten confieren. Er sollte in etwa eine Kerntemperatur von 50 Grad haben. Danach den Fisch herausnehmen und auf einem Küchenpapier trockenlegen. 

Die Haut vom Saiblingsfilet abziehen und mit der Buttermilch-Vinaigrette servieren

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